25. Mai 2016 Odessa, Ukraine
In der Ukraine habe wir schon viel gelernt:
Lektion 1: Russland verfolgt einen Plan
Lektion 2: Eine Gurke ist keine Kobra
Lektion 3: Odessa ist wunderschön
Bevor wir zu Lektion 1 übergehen, greifen wir noch einmal den Stand der Dinge auf. Vorm Schloss Dracula haben wir uns an die Straße gestellt und uns beinahe etwas schlecht gefühlt. Wir hatten ja gerade schon soviel Komfort hinter uns gelassen und dann das: Das erste Auto das vorbeikam hielt mit wedelnder Deutschlandfahne vor uns an und der freundliche Nelu, ein junger Moldauer mit erstaunlich gute Deutschkenntnissen, fuhr uns direkt nach Moldavien. Nelu betrieb seinen eigenen kleinen Lieferservice zwischen Süddeutschland und Moldavien. Neben einem Platz in seinem Minibus bot er uns auch noch ein leckeres Mittagessen an und nahm uns mit bis Orheiul. Der Secondhandmarkt zwischen Deutschland und Moldavien boomt. Was der Deutsche nicht mehr haben will, landet dann in einem der vielen Minibusse oder wird, wenn es sich um einen der vielen Gebrauchtwagen handelt, auf einem Schlepper nach Moldavien gefahren und dort unter die Leute gebracht. Nelu empfahl uns nach la Orheiul vechi (dem alten Orheiul) zu fahren und uns dort das alte Kloster anzuschauen. Da der Grenzübergang von Rumänien und Moldavien zu einigen Verzögerungen auf der Reise geführt hatte, kamen wir erst spät an der Kreuzung nach la Orheiul vechi an und entschieden uns wagemutig endlich unser 3,1 kg schweres, sich seit Beginn der Reise in Jeroens Rucksack befindlichen Zeltes zu bedienen und in la Orheiul vechi zu campen. Ein netter russisch sprechender Moldauer nahm uns mit und brachte uns trotz Verständnisschwierigkeiten bis nach Orheiul vechi, amüsierte sich aber sehr darüber, dass wir dort campen wollten. Vor unser Nase gab es sogar ein Schild mit der Aufschrift „Camping“, ein dazugehöriger Campingplatz war allerdings nicht in Sicht. Der Nachtwächter eines angrenzenden Hotels (?) erlaubte uns aber in einem hübschen Garten zu kampieren, wenn wir nur das Zelt bis acht Uhr morgens wieder abgebaut hätten, wie er uns mithilfe von Zeichnungen mit einem Stock im Sand auf russisch erklärte. In Moldavien erwies es sich nämlich als äußerst schwierig englisch sprechende Landsleute ausfindig zu machen.
So wurde also unter großem Gezanke das Zelt aufgebaut. Da Jeroens Zeltaufbau im Groben daraus besteht zwei Zeltstangen in die Erde zu stecken und eine Plane darüber zu werfen, in der Hoffnung es werde sowieso nicht regnen und Linda gerne jedes noch so kleine Heringchen gründlich und fest im Boden verankert, bot das Zeltaufbauen so einiges an Konfliktpotentia,l da zudem auch noch der Magen knurrte. Aber man muss sich ja zu helfen wissen und so schmorte schon kurze Zeit später etwas was eigentlich Nudeln mit Tomatensoße hätte sein sollen auf unserem kleinen Benzinkocher und die Stimmung verbesserte sich, während die Nudeln immer weicher wurden. Sehr, sehr weich.
Frisch und ausgeruht am nächsten Morgen erkundeten wir la Orheiul vechi und drehten einen kleinen Tierfilm. Während wir also mit Begeisterung Bienen, Schmetterlingen und grasenden Ziegen mit der Kamera hinterher tollten, ertönte auf einmal ein Glockenklang und ein älterer glockenschlagender Mann lud uns ein, ein altes Höhlenkloster zu besichtigen. Wir beschlossen danach mit dem Bus nach Kischinau weiterzufahren und erholten uns dort ein paar Tage im Hostel. Neben einer Stadt die neben Sowjetarchitektur auch sehr schöne Parks und nette Gassen zu bieten hat, offenbarte Moldavien sich uns in Kischinau als wunderbares Weinland! Fast das ganze Land ist überseht mit Weinfeldern verschiedenster Sorten und in Kischinau hatten wir viele Möglichkeiten diesen zu verköstigen, was trotz der sehr günstigen Preise dazu führte, dass unser Aufenthalt in Moldavien (dem bis dahin ärmsten Land) bisher am meisten gekostet hat.
Von Kischinau aus machten wir auch einen Abstecher in Opa Erwins alte Heimat, das kleine Dorf Romanovca, früher Rohrbach. Die Leute im Dorf waren sehr verwirrt über unseren Besuch und sehr hilfreich in ihren Bemühungen uns wieder weg zu verhelfen. So näherte sich uns eine Dame die fragte: „Niet ruski, niet moldawi?“ Das sollte wohl soviel bedeuten wie „was zum Teufel wollt ihr denn hier?“. Wir versuchten sie dann dazu zu bewegen uns in ein kleines Büchlein, das wir mit uns führten, zu malen, was die Bedeutung ihres Wortschwalls war. Dies führte dazu, dass sie einen russischen Satz in das Büchlein schrieb, den wir natürlich nicht verstanden. Später im Hostel half uns die nette Olga mit der Übersetzung der kyrillischen Buchstaben: „ihr braucht einen Übersetzer“, war die Bedeutung. Wir schafften es dennoch auch ohne Übersetzer uns zum kleinen Dorfladen, der gleichzeitig eine Bar ist, durchzufragen und trafen dort auf ein paar äußerst nette romanovcanische Frauen, die uns jedem ein Eis und etwas Wasser gaben und ein Taxi riefen, um uns wieder aus dem Dorf zu schaffen. Wir müssen wohl sehr hilflos ausgesehen haben. Die nette Svetlana lud uns während wir aufs Taxi warteten zu sich nach Hause auf ein paar leckere Erdbeeren, eine Art Pfannkuchengebäck und einen Liquör ein. Mit Hilfe unser eigenen Zeichnungen im Büchlein und aufgrund von Svetlanas ausgeprägten zwischenmenschlichen Fähigkeiten als Sozialassistentin gelang es uns ihr verständlich zu machen, warum wir Romanocva besuchten. Ihr Gesicht erhellte sich aufgrund dieser Erkenntnis und sie bot uns sofort an, bei ihr zu übernachten und eines der letzten deutschen Häuser in Romanovca zu besichtigen. Leider war das Taxi schon gerufen und wir wollten nicht alle vorangegangen Bemühungen der freundlichen Damen mit Füßen treten und so fuhren wir, nachdem wir noch einen kurzen Blick auf das deutsche Haus geworfen hatten, wieder zurück Richtung Kischinau.
Weiter ging es dann in das große Abenteuer. Ein Land, das gar nicht existiert. Ein Land in dem die Fahnen noch mit Sichel und Hammer wehen. Ein Land in dem der rote Stern noch leuchtend scheint. Auf nach Transnistrien! Tatsächlich fühlte man sich schon an der Grenze um etwa 30 Jahre in die Sowjetunion zurück versetzt oder wie in einem Propagandafilm der 70er Jahre in Russland. Entgegen aller Befürchtungen trafen wir aber an der transnistrischen Grenze auf einen äußerst freundlichen Grenzbeamten. Am Busbahnhof in Tiraspol fanden wir uns auf einem großen Markt und in einem Labyrinth an kyrillischen Buchstaben wieder, während konstant eine russische Frauenstimme etwas über einen Lautsprecher in Richtung Markt verkündete. Wir waren froh, dass wir zumindest das kyrillische Alphabet mittlerweile entziffern konnten und fanden so unseren Weg vorbei an Lenindenkmälern zur Brücke über den Nistra, die nach Chitcani zu Victor, unserer couchsurfing Adresse, führte. Nachdem wir mit unseren großen Rucksäcken skeptisch von vielen Passanten als eindeutig Fremde gemustert wurden, nahm die nette Lydia uns gleich mit und setzte uns, da jeder im Dorf den besonderen Victor mit seinen internationalen Besuchern kennt, direkt vor dessen Gartentor ab.
Victor war gerade dabei Kaninchenfutter vorzubereiten und nachdem er uns sein milde gesagt chaotisches Haus gezeigt hatte, führte er uns auch, jedem zuvor ein Streichholz in die Hand gedrückt, in ein darunter liegendes unterirdisches Labyrinth aus Gängen und Kämmerchen. Wir fühlten uns wie Alice im Wunderland als wir schließlich durch ein kleines Loch in den von Victor gebauten Kaninchenbau krochen und die aus alten Glasflaschen und Lehm errichteten Wände bewunderten, durch die schummriges Licht in bunten Farben schien. Victors derzeitiges Vorhaben war, sich ein paar Kaninchen zuzulegen und so zumindest ein geringes Einkommen zu sichern. Sein großer Traum war aber eigentlich sein Haus und Garten in ein Hostel zu verwandeln. Victors Ideen und der Enthusiasmus mit dem er diesen entgegen sah waren wundervoll, allerdings hatten wir die Befürchtung, dass Victor zu vielen Ideen gleichzeitig nachstrebte und versuchten ihn zu bequatschen doch vielleicht zunächst etwas aufzuräumen und dann weiter an der Hostelidee zu arbeiten. Zunächst hieß es aber, auf zur Einwanderungsbehörde. Wer länger als 24 Stunden in Transnistrien bleiben möchte, muss sich vom Gastgeber persönlich registrieren lassen. Also juckelten wir drei wieder zurück nach Tiraspol. Unterwegs begann Victor über Transnistrien zu erzählen. Mit seinen für einen 57 jährigem Transnistrier erstaunlich guten Englischkenntnissen und seiner Weltoffenheit stellte Victor eine Ausnahme in dem kleinen Land dar, das es eigentlich gar nicht gibt. Im Gespräch offenbarte Victor uns auch, was uns zur Lektion 1: „Russland verfolgt einen Plan“ zurückführt.
Transnistrien befindet sich in einer äußerst zwicklichen Lage. Legaler Export wird komplett geblockt, Import ist nur begrenzt vor allem über die Ukraine möglich. Alles was in Transnistrien überhaupt funktioniert, Korruption und Mafia hier einmal außer Acht gelassen, basiert auf der Hilfe des großen Bruders Russland. Laut Victor wünschen sich viele Transnistrier eine Zusammenführung mit Russland. Kleines Problem dazwischen: die Ukraine. Die Lösung für dieses Problem hielten aber laut Victor und auch laut unseres späteren Hosts in Odessa, Pläne in Russland zur Aufspaltung des ukrainischen Gebiets bereit. Demnach solle der südliche und östliche Teil der Ukraine zusammen mit Transnistrien Russland zugeordnet werden. Der Teil nördlich von Moldavien und Rumänien könne dann zu Rumänien gehören und um das ganze etwas einfacher zu machen packt man Moldavien und Rumänien dann auch gleich zusammen – die sprechen ja eh die gleiche Sprache…quasi. Der Rest geht dann zu Polen und zackdibumm Problem gelöst, Transnistrien jubelt. Später in der Ukraine hören wir, dass ein kleiner Teil in der Mitte der Ukraine laut Plan schon noch Ukraine bleiben solle. Für viele Transnistrier, aber auch viele Moldauer bietet sich diese Orientierung an den Osten an. In der EU sehen sie aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse wohl zurecht kaum Chancen für sich. Von Moskau wird außerdem ein schwarzes Bild Europas gemalt. Überrannt von Flüchtlingen, ein Verkommen der Werte. Dazu sind regelmäßige Muskelspiele der russischen Armee im Fernsehen zu beobachten. Diese konnten wir später in Tiraspol selbst im Fernsehen beobachten. Und zwar in der Küche von Alex, einem jungen Transnistrier, der uns wunderschöne Orte in der Stadt zeigte und uns zu seinen Eltern nach Hause einlud, da seine Mutter leckere Soljanka gekocht hatte. Seine Eltern wollten uns zunächst nicht ins Haus lassen, da wir Fremde waren und Fremde in der Regel nichts Gutes im Sinn haben. Sie luden uns schließlich aber doch ein und waren dann froh und erstaunt, dass wir uns vorzüglich benahmen und brav auf russisch einstudiert „guten Tag“, „Danke“ und „auf Wiedersehen“ sagten. Mit Alex verbrachten wir einen wunderschönen Abend frisch gezapftem moldavischem Wein an der Nistra trinkend und sahen zwischendurch das funkelnde Partyboot, das Abends seine Runden auf dem Fluss dreht, vorbei schippern.
Aber zunächst zurück zu Victor und unser Registrierung. Victor sah den Beamten in der Einwanderungsbehörde aufgrund ihrer Kleinkariertheit feindselig entgegen, die Registrierung lief aber dennoch einwandfrei. Also machten wir uns auf zum Supermarkt um für das Abendessen einzukaufen. Der Supermarkt heißt Sheriff, die Tankstellen heißen Sheriff, das Stadion heißt Sheriff und auch sonst heißt und gehört vieles den Sheriffs. Laut Victor war der Gründer ein Polizist, der viel Geld mit Schmuggeln gemacht habe und so eine gute Wachtumsgrundlage für seine Supermarktkette und sonstige Investitionen schaffen konnte. Im Supermarkt fassten Jeroen und ich den Plan mal zu versuchen Borschtsch für Victor und uns zum Abendessen zu kochen, was dazu führte, dass Victor bei unser Rückkehr ins Dorf, entgegen unser Versicherungen, wir würden das schon hinbekommen, seine Nachbarin Nadia darum bat, mit rüberzukommen und uns zu zeigen, wie man Borschtsch kocht. Wir sind uns sicher, wir hätten den Borschtsch nicht annähernd so gut hinbekommen wie Nadia. Wir genossen ein himmlisches Abendessen mit moldavischem Wein in Victors wildem Garten und philosophierten darüber, wie Victor seine Hostelpläne vielleicht doch noch umsetzen könne.
Ein Highlight unseres Aufenthalts in Transnistrien war dann die Teilnahme an Chitcanis Dorffest des Heiligen Nikolas. Victor nahm uns morgens mit ins orthodoxe Mönchkloster Chitcanis wo eine stundenlange Zeremonie im Gange war. Der Abt des Klosters, der nach dem Zerfall der Sowjetunion und der damit verbündenden Möglichkeit, den Glauben wieder aufleben zu lassen, das Kloster wieder aufgebaut hatte, war bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Seit dem wurde der orthodoxe Nikolaustag, als Tag des Namensgebers des Mönches im Dorf gefeiert. Nachdem Linda sich also am Eingang zum Kloster mit Kopftuch und Rock als Babuschka verkleidet hatten durften wir der Zeremonie beiwohnen, die nach Victors Worten viele Parallelen zu einem Theaterschauspiel hatte. Frauen mussten links und Männer rechts stehen und alle verbeugten und bekreuzigten sich immer wieder zu den harmonischen Gesängen der Mönche. Die Priester waren in bunten Farben gekleidet und eine große goldene Bibel wurde vorne auf der Bühne herum getragen und von den Priestern geküsst. In verschiedenen Formationen kamen immer wieder zwei der Priester aus zwei Türen seitlich zur Hauptbühne. Alle hatten prächtige Bärte. Wir sahen uns einen Teil der Zeremonie gebannt an und dann zeigte uns Victor das Kloster. Danach gab es eine Prozession zu einem Jesus am Kreuz ein paar Straßen weiter. Der Abt kam dazu jauchzend aus der Kirche gestürmt und besprühte die Gläubigen mit Weihwasser. Wir bekamen auch eine dicke Ladung ab. Mit einem Affenzahn lief dann der Abt, umringt von Mönchen und den Gläubigen, die in dem Tempo mithalten könnten, den Weg zum Gekreuzigten entlang, wobei weiter fleißig mit Weihwasser gespritzt wurde. Skurril sollte es aber an diesem Tag erst noch werden! Im Park begann das Dorffest an dem weltliches und christliches dann durcheinander gemischt wurden und Tänze der lokalen Jugend neben Reden von Politikern und zwischendurch nochmal einer Predigt sich die Bühne teilten. Am seltsamsten war für uns die Ehrung der Mütter. Zunächst verstanden wir gar nicht, was vor sich ging als eine Gruppe etwa 5 junger Mütter nacheinander ihre Wonneproppen vor der Bühne im Kreis schoben. Dann aber wurde immer irgendwas von Mama soundso mit Baby soundso von der Moderatorin der Veranstaltung verkündet. Die Mütter drehten eine letzte Runde, um dann stolz strahlend vom Bürgermeister eine selbstgebastelte Medaille in Form eines Kinderwagens umgehängt zu bekommen. Später wurden auch die Personen geehrt, die schon alt waren, aber immer noch arbeiteten, das waren dann aber nicht mehr so viele. Alles in allem war das Dorffest ein voller Erfolg und wir kehrten auch spät am Abend noch einmal mit Victor und Alex, der sich aus Tiraspol für uns ins Dorf gewagt hatte, zurück um die Jugend beim Tanz zu beobachten. Vor dem Gemeindezentrum war Diskoteka und von russischer Tanzmusik mit, laut Alex, einfallsreichen Texten tanzten und torkelten die Chitcaner, wobei Lenins Kopf der vor dem Gemeindezentrum als überdimensionale Statue platziert war, zum Glück, in die entgegen gesetzte Richtung schaute. So ließen wir, während die Neonlichtscheinwerfer über die feiernde Menge zwischendurch Lenins Hinterkopf erleuchteten, zufrieden unseren letzten Abend in Transnistrien ausklingen.
Alex beschloss uns am nächsten Tag auf unserer Weiterreise nach Odessa zu begleiten. Vielleicht wollte er uns an der verrufenen transnistrisch- ukrainischen Grenze zur Seite stehen, vielleicht aber auch einfach nur etwas länger seiner Arbeit als selbstständiger Programmierer in Tiraspol entfliehen. Die Grenze meisterten wir alle drei ohne Probleme und lagen dann noch am selben Abend nach einem Gewaltmarsch mit unserem Gepäck, mit einem Bierchen in der Hand in Odessa am Strand und schwelgten in dessen Schönheit. Aber bevor wir zu dieser Lektion 3 übergehen, zunächst Lektion 2 „Eine Cobra ist keine Gurke“. Gegen neun Uhr Abends machten Jeroen und ich uns zu unserem couchsurfing Host Yaroslav, Yoga Lehrer und Kampfsportprofi auf. Neben einem sehr netten Abend mit Wein, Erdbeeren und Schokolade, bekam Jeroen am nächsten Morgen auch noch eine gratis Yogastunde von Yaroslav nachdem er diesem das Leid über seine Nackenschmerzen geklagt hatte. Wie wir am Abend vorher von Yaroslav gelernt hatten, sei eine der Grundregeln des Yoga, man solle nicht kritisieren. Wie das mit der Yogastunde die folgte in Einklang zu bringen war, bleibt uns ein Rätsel. Das ganze begann harmlos mit einem Strecken zum Sonnengruss. Als Jeroen sich jedoch herunterbeugte und aufgrund seiner Unfähigkeit den Boden zu berühren seine erste Rüge von Yaroslav erhielt begann der Spaß! Beim Militär könnte es nicht besser laufen. Jeroen versuchte verzweifelt den Instruktionen von Yaroslav mit einem kleinlauten „Was? Meine Hüfte auf meine Beine?“ zu folgen als er auch schon von diesem mit einem gezielten Griff in den Nacken in die richtige Position gezwungen wurde. Den herabschauenden Hund gerade noch meisternd, musste Jeroen als nächstes im Brett einer Art Liegestützposition mit durchgestreckten Armen verharren. Yaroslav führte unterdessen ein Telefonat und nahm dazu bequem auf der sich neben der Foltermatte befindlichen Couch Platz wobei er Jeroen zwischendurch immer wieder zurief „halten!“. Vielleicht lieber so, denn als das Telefonat nach 10 Minuten beendet war, näherte sich der Kerkermeister seinem Opfer und stellte fest „Du bist schwach!“. Jeroens Protest „nun ja…“ wurde mit den Worten „du bist schwach, deine Arme zittern“ sogleich hinweg gefegt. Als Jeroen dann auch noch anmerkte „ich bin ja schon dein ganzes Telefonat ein Brett“ erlöste Yaroslav ihn mit den Worten „du bist faul!“ Aber immerhin, neue Position, neues Glück. Die Cobra dehnt den Nacken und öffnet die Brust. „Du bist keine Cobra, du bist eine Gurke!“ merkte Yaroslav an und Jeroen fieberte dem Ende seiner Yogastunde entgegen. Aber nicht so schnell, zunächst wurden natürlich noch aufgrund bestimmter Verspannungsmuster ein Problem mit der Familie und dem lieben Sex diagnostiziert. Wobei er sich zu letzterem an Linda wandte und vermerkte, während er das Bein des vor ihm auf dem Bauch liegenden Jeroens hin und her schüttelte „Siehst du, das müsste eigentlich entspannt sein. Der hat versteckte Fantasien.“ Endlich am Ende der Stunde und am Ende der Kräfte und Geduld war es auch Zeit für uns zu gehen. Als Yaroslav Jeroen an der Tür auch noch eine Kampfsportstunde anbot, packten wir unsere Sachen und rannten davon wie der Wind. Zu unserem Erstaunen war dennoch Jeroens Begeisterung für Yoga geweckt, denn der Rücken fühlte sich gleich schon viel besser an!
Wir waren dennoch froh zunächst im Hostel etwas zu entspannen und an unserem Blog zu arbeiten. Die nette Ukrainerin Anna, die im Hostel arbeitete bot uns auch gleich an, uns etwas die Stadt zu zeigen und nahm uns mit zu ein paar wunderschönen Orten in Odessa. Das führt uns auch gleich zur Lektion 3 „Odessa ist wunderschön“.
Man hört ja so einiges von der Ukraine in letzter Zeit. Leider sind die meisten Nachrichten eher negativer Natur und auch uns haben viele Leute davor gewarnt, in die Ukraine zu reisen. In der Ukraine ist Krieg. In den Landesteilen (Oblast) Donezk und Luhansk ist die Gewalt laut Medienberichten zwar abgeschwächt aber es kommt noch immer zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Die Krim sollte man nicht bereisen, da die politische Situation dort noch immer alles andere als stabil ist. In Odessa merkt man davon derzeit nichts. Zwar haben einige Ukrainer auf die Bemerkung wir würden nach Russland reisen mit erhobenen Augenbrauen reagiert, aber Odessa ist, nachdem die Lage auch hier vor zwei Jahren, während der Proteste auf dem Maidan, etwas angespannt war, sehr friedlich. Die Botschaft einiger Ukrainer an uns war hier: Sagt all euren Freunden, dass Odessa schön ist, sie keine Angst haben sollen und die Ukraine bereisen müssen. Viele Ukrainer sind sehr arm. Uns wurde gesagt, das Durchschnittseinkommen sei weniger als 150 € im Monat. Und dabei hat das Land ganz viel zu bieten! Es gibt Kunst und Kultur, die Schwarzmeerküste, Berge… Anna, die uns Odessa zeigte, führte uns zu kleinen Kunstgalerien, der Oper, verschiedenen netten Cafés, dem Hafen. Das ganze kann man zu dem jetzt auf ihrer facebook Seite bewundern, da sie uns bei jeder Sehenswürdigkeit, um ein Foto bat „Komm, komm jetzt! Schnell, stellt euch dahin. Foto, Foto!“. Vielen Dank für die Tour an Anna und die Botschaft an alle: „Besucht Odessa!!! Es ist wunderschön hier und keine Angst.“