Ulaanbaatar, Mongolei 15 August 2016
Mit Schmerzen in Herz und Kopf haben wir heute die Mongolei verlassen. Wir wurden so warmherzig begrüßt und Land und Leute werden und sehr fehlen. Vermutlich wird es auf unserer Weiterreise kein Land mehr geben, das so Tramper-freundlich ist wie die Mongolei.
Gefühlt hielt jedes Auto, in dem noch gerade so Platz für zwei Leute mit ihren dicken Rucksäcken war. Es hatte sich gelohnt, dass wir uns in Irkutsk um 6 kg erleichtert hatten, trotz allem Aufwand der damit verbunden war. Zunächst also ein Zeitsprung nach Russland. Man verschickt nämlich nicht etwa einfach so etwas von Russland nach Westeuropa. Zunächst muss man alles dokumentieren. So machten wir uns auf zur Post in Irkutsk und kamen zwei Stunden später mit leeren Kugelschreibern und wunden Fingern wieder hinaus. Wir wurden verdonnert jedes einzelne Teil, was bei uns von Haarspange über einzelne Kleidungsstücke bis hin zu Campingausrüstung ging, zu benennen und zu wiegen. Das Ganze musste dann in ein Formular eingetragen werden. Auf jedes Formular passten aber nur drei Gegenstände. Aber naja was soll’s, Ordnung muss ja nun mal sein und so wogen und dokumentierten wir alles und schrieben im Akkord Adressen, Ausweisnummern und Gegenstände nieder. Stolz zeigten wir dann alles der Dame am Tresen, die uns aber nur weitere Formulare unter die Nase hielt und mit dem Fingern deutlich machte, wir bräuchten alles dreimal, drei, ja dreimal. Schon etwas mürrischer murmelten wir dann etwas von einem Kopierer, aber die mit ihrem Job anscheinend und verständlicherweise nicht ganz zufriedene Dame zuckte bloß gelangweilt mit den Schultern. Nachdem dann alles fein säuberlich dreimal aufgeschrieben und verstaut war, wieder ausgepackt von der Dame noch einmal gewogen und dann irgendwann fertig war, konnten wir endlich das Postamt verlassen und bestellten zur Feier des Tages, es war nämlich zu allem Überdruss auch noch Jeroens Geburtstag, in einem Restaurant alles Vegetarische von der Karte.
Am nächsten Tag dann also leichtfüßig und gestärkt weiter Richtung Mongolei. So wurden wir von Vater und Sohn, die mit ihrem Transporter, ein Mercedes aus Deutschland, wie der Fahrer nicht ohne Stolz bemerkte, Linda schlafend im hinteren Bett und Jeroen vorne die Natur bewundernd, bis nach Ulan-Ude gefahren, wo wir in der Steppe kampierten.
Am nächsten Tag wurden wir dann von verschiedenen Leuten, die allesamt buddhistische Buryati waren mitgenommen und konnten ein bisschen Buryati Buddhismus erleben, als die Frau des Fahrers unterwegs, zu unserem Erstaunen, ein paar Münzen auf die Straße warf, für Glück auf der Straße, wie sie uns erklärte. Schließlich wurden wir an einer Gabelung herausgelassen, irgendwo im nirgendwo wie es schien, aber schon nach fünf Minuten sprangen fünf feiernde Russen, die auch nach Süden trampten aus einem Auto und lallten uns voll. Neben den unangenehmen Alkoholfahnen, schien es uns auch sehr ungünstig mit der feiernden Meute an einem Ort zu stehen, aber schon kurze Zeit später zog diese weiter und stellte sich ein paar Meter hinter uns wieder an die Straße. Nachdem wir dann einen kurzen Lift bekommen hatten, hielt kurz nachdem wir ausgestiegen waren erneut ein Auto. Und wer war drin? Die grölenden Russen natürlich. Wir waren schon am verzweifeln als schließlich ein Kleinbus hielt und einer der Russen uns freundlich herüberwinkte und bedeutete einzusteigen. Trotz Trunkenheit hatte uns die Bande freundlich einen Lift organisiert, und wir bereuten, sie verflucht zu haben. So wurden wir also kurz bis vor die mongolische Grenze an eine Polizeikontrolle gebracht wo die Reise zunächst unterbrochen wurde. Die freundlichen Beamten, ein junger Spund und ein alter Hase, der dem Jüngeren, wahrscheinlich aufgrund des raren Verkehrs und der dadurch fehlenden sinnvollen Aufgaben, beibrachte, wie man perfekt den Kontrollposten fegt, halfen uns aber freundlich weiter, indem sie jedes der vorbeifahrenden Autos stoppten, um sich zu erkundigen, ob eines nicht vielleicht in die Mongolei fuhr und bereit sei, uns mitzunehmen. Nach langem Warten und blitzeblank gefegtem Kontrollposten wurden wir schließlich mit zur Grenze genommen. An der Grenze durften wir dann aussteigen, an ein paar Autos vorbei laufen und kurz vor der Kontrolle in ein anderes einsteigen. So überquerten wir die Grenze recht flott mit zwei Lieferanten und waren in der Mongolei gelandet.
Die beiden Lieferanten setzten uns kurz hinter der Grenze in Sukh Bataar ab und wir versorgten uns zunächst mit mongolischer Währung. Plötzlich waren wir fast Millionäre, mit sage und schreibe 900 000 Tugruk in der Tasche. So holten wir uns gleich im Supermarkt etwas zu Essen und hatten ein Festmahl vorm Supermarkt mit eingelegten Gurken und Brot, zu dem sich auch gleich ein mongolischer Junge gesellte, der mal schauen wollte, was die Ausländer da so treiben und unser Festmahl mit uns teilte. Als wir ihm aufzeichneten, dass wir im Zelt schliefen, zeichnete er auch gleich ein Bild seiner Unterkunft. Die mongolische Ger. Für uns schien das Nomadenleben in der Ger zunächst ein wahrscheinlich veraltetes romantisiertes Bild des mongolischen Alltags zu sein, die Zeit in der Mongolei belehrte uns aber eines besseren. Vieles in der Mongolei schien wie ein Klischee für Touristen ohne dabei aber ein Klischee für Touristen zu sein. Das Leben in der Ger, riesige Schaf-, Ziegen-, Kuh- und Pferdeherden sind Alltag für viele Mongolen. Das Leben der Nomadenfamilien hat sich dabei nicht besonders modernisiert. Manche haben ein Radio, die meisten ein Handy, die glücklichsten ein Auto. Ansonsten gibt es die Tiere, harte Arbeit, Milch- und Fleischprodukte zu essen. Als wir uns also von unserem kleinen Freund und seinen mittlerweile hinzugekommen Geschwistern, ein kleines Mädchen mit einem kugelrunden zuckersüßen Baby im Kinderwagen verabschiedeten, konnten wir beginnen die mongolische Landschaft zu bestaunen.
Während wir noch überlegten, ob wir unser Zelt in Sukh Bataar aufschlagen oder noch ein Stückchen weitertrampen sollten und leicht zögerlich den Daumen ausstreckten, hielt sofort das erste Auto und ein netter mongolischer Grenzbeamter nahm uns mit. Er fuhr mit uns durch seichte Hügelketten, in denen an einem Fluss, wie an einer Perlenkette aufgereiht, von Viehherden umgebene, weiße Gers standen. Als wir schließlich meinten einen kleinen See zu entdecken, baten wir unseren netten Fahrer uns herauszulassen um dort die Nacht zu kampieren. Doch was von Ferne, wie ein See ausgesehen hatte, war aus der Nähe wohl eher ein von Mücken bevölkertes Wasserloch. Zum Glück wurden wir dafür aber von einem wunderschönen Sonnenuntergang und, natürlich ganz nach dem Klischee, einer um unser Zelt galoppierenden Pferdeherde am nächsten Morgen entschädigt.
Ganz typisch Mongolei war dann natürlich auch, dass sobald wir an der Straße standen, das erste Auto mit drei netten Mongolen hielt. Dem Geruch nach zu urteilen wurden im Auto kurz davor noch Schafe transportiert, aber die freundliche Dame, die mit uns die Rückbank teilte, wusste sich mit parfümierten Feuchttücherchen zu helfen, um sich für den Markt in Dachan fit zu machen. So landeten wir im Schatten einer riesigen goldenen Buddhastatue, und erfuhren, Kulturbanausen, die wir sind, erst später, dass dies eine wichtige Sehenswürdigkeit war, für die Touristen extra aus Ulan Bataar anreisten. Kurz hinterm Buddha hielt dann auch gleich eine mongolische Familie für uns. Wir sahen schon enttäuscht zwei Kinder auf der Rückbank sitzen, aber Quatsch, in der Mongolei ist das kein Hindernis. Die Kinder wurden zusammen geschoben und wir schon kurze Zeit später, zu unserem Entsetzen zu fermentierter Pferdemilch, Airag, in eine Ger am Straßenrand eingeladen. Das heißgeliebte Getränk, das wir in Kazakhstan schon kosten durften, gab es in der Mongolei zuhauf. Aber wir wurden geschickter. So taten wir so, als sollten wir nur probieren und reichten den Becher, nachdem wir beide, einen kleinen Schluck genommen hatten, an eins der Kinder weiter, das den Becher auch gleich in einem Zug lehrte. Später erfuhren wir vom variierenden Alkoholgehalt im Airag, der dem Genuss unseres kleinen Begleiters aber nicht im Wege stand.
Die nette kleine Familie setzte uns mitten in Ulan Bataar am Dschingis Platz ab, der dort auf einem riesigen Thron vorm Regierungsgebäude sitzt. Der Stolz der Mongolen einmal die halbe Welt beherrscht zu haben ist deutlich zu spüren und spielt wohl auch deshalb eine große Rolle, da die Mongolei seitdem, eingekeilt zwischen Russland und China, eher wenig Ruhmreiches vorzuweisen hat. An unserem ersten Tag in Ulan Bataar konnten wir uns dafür gleich beim diesjährigen zweiten Nadaamfest von den noch immer glorreichen Fähigkeiten des modernen Mongolen überzeugen lassen als wir die drei ruhmreichen Disziplinen: Pferderennen, Bogenschiessen und Ringen Life beobachten konnten. Besonders die Bogenschützen, ein von Frauen und Männern gleichermaßen geübter Sport, beeindruckten uns mit ihren bunten Kostümen und hervorragenden Schießfähigkeiten. Vor allem, da nach jedem Schuss die Leute, die neben den Zielen standen, unabhängig davon, ob das Ziel getroffen oder nicht, begonnen mit ihren in bunten Kostümen steckenden Armen zu wedeln und laut jubilierten. Auch die Ringkampfarena übte eine magische Anziehungskraft aus. Die Mongolen hingen an den Geländern und kletterten auf und über die Brüstungen und übereinander um einen Blick auf das Spektakel zu erhaschen, welches darin bestand, dass zwei Männer in Unterhosen, einer blau und einer rot, umeinander scharwenzelten, bis der Blaue schließlich den Roten schubste, dieser auf die Knie ging, alle einmal jubelten und Ende.
Als nächstes stand für uns dann das Chinavisum auf dem Plan. Mit zitternden Knien, denn das Chinavisum war angeblich nicht leicht zu bekommen, machten wir uns also zwei Stunden vor Öffnung auf zur Botschaft. Zu unserem Glück gab es verschiedenen Schlangen für Ausländer und Mongolen, denn die Mongolen hatten teilweise schon die ganze Nacht vor der Botschaft angestanden und ein eigenes Listensystem entwickelt, um die Antragstellung besser zu organisieren. Vor uns stand nur ein nörgelnder Franzose, der sich auch in der Botschaft noch lautstark über die Unorganisiertheit der Chinesen beschwerte. Da der Franzose damit uns adressierte und wir dadurch die reibungslose Visumsbeschaffung gefährdet sahen, versuchten wir ebenso lautstark zu verkünden, dass die Chinesen in der Botschaft doch total nett seien und in der Tat hatten sie uns, ganz im Gegensatz zu bestimmten russischen Postbeamten, sogar noch zu ein paar fehlenden Kopien verholfen. Unsere Strategie schien aufzugehen und so lief alles freundlich und glatt ab.
Wir machten uns dann auf zum nächsten Freiwilligenarbeitslager in der Nähe von Ulaan Bataar und was eigentlich ganz nett begann, endete leider weniger schön. Freie Tage waren nur auf der Webseite aber nicht in der Realität vorgesehen und von vier bis fünf Stunden Arbeit am Tag konnte man nur träumen. Diese zweite eher negative Erfahrung mit Freiwilligenarbeit beim Reisen hat uns sehr skeptisch werden lassen, ob nicht viele Anbieter die Onlineplattform ausnutzen, um gratis Arbeiter zu bekommen. Sollten wir die Plattform erneut nutzen, werden wir sicherlich vorher nochmal genau nachfragen, ob die Infos auf der Webseite der Wahrheit entsprechen. Nichtsdestotrotz war die Umgebung wunderschön und wir verbrachten sehr schöne Momente mit den anderen Freiwilligen, bauten mit Zuska, einer Slovakin, hübsche Lampen aus alten Dosen, musizierten mit Thomas, einem Franzosen auf seiner und unserer Ukulele und bauten einen hübschen Mülleimer zur Mülltrennung. Auch die einzige Angestellte, Dologo, die unterbezahlt noch härter arbeitete als alle anderen, schlossen wir mit ihrem witzigen Lachen und ihrer verrückten Art gleich ins Herz. Wir verließen den Ort dann zusammen mit Thomas und Zuska und natürlich ganz nach mongolischer Art hielt, sobald wir an der Straße standen, der erste LKW und während wir noch überlegten, wem den Vortritt zu lassen, hielt schon der zweite und so wurden wir zurück nach Ulan Bataar geschaukelt, wo wir noch einmal mongolische Tradition in Form von Tanz, Musik und dem beeindruckenden Obertongesang erleben konnten.
Wir trampten dann weiter in die Gobi Wüste. Nachdem uns ein freundlicher Taxifahrer half aus der Stadt zu kommen und wir mit einem netten Bauern noch ein Stück weiterfuhren, pausierten wir am Straßenrand um kurz etwas zu Essen. Aber nichts da in der Mongolei! Ohne das wir Anzeichen machten, einen Lift zu suchen, lenkte der Fahrer eines gelben LKWs sein Fahrzeug zur Seite, fuhr ein Stück zurück und bedeute uns unmissverständlich einzusteigen. Wir machten uns also auf zum LKW und drin saß der lachende Kurdle. Kurdle war extrem begabt darin sich mit Hilfe von Körpersprache verständlich zu machen und während er Jeroen über die verschiedenen Überbleibsel der russischen Militärstützpunkte aufklärte, wurde Linda gemütlich auf der hinteren Liege fläzend hin und her geschaukelt. In der Mongolei sind erstaunlich viele Tier- vor allem Pferdekadaver am Straßenrand zu entdecken. Autounfall, wie Kurdle uns unmissverständlich indem er mit der rechten Faust in die linke Handfläche schlug, deutlich machte. Mit Kurdle fuhren wir langsam, holprig aber doch recht weit, bis sich unsere Wege schließlich trennten. Kurdle lud uns noch ein sein Abendessen mit ihm zu teilen. Er versorgte uns mit süßen Brötchen, schien nicht persönlich zu nehmen, dass wir seinen mongolischen Trockenkäse mit einer Geste auf unsere Bäuche dankend ablehnten und schenkte uns reichlich aus seiner fünf Liter Vodkaflasche ein. Wir verabschiedeten uns herzlich und Kurdle versprach zu Weihnachten eine Email zu schreiben, machte ein verschwommenes Foto mit seinem steinzeitlichen Handy und schaukelte dann fröhlich winkend in seinem gelben Gefährt in die Weite der mongolischen Hügel davon. Für uns folgte also eine weitere Nacht zeltend, diesmal vom Vollmond beschienen, in der mongolischen Steppe. Am nächsten Tag nahm uns dann auch gleich Narentsk und Sotnom, ein älteres Pärchen mit, die uns in die Geheimnisse der buddhistischen Straßenriten einweihten. Immer wieder entdeckt man mit bunten Tüchern behangene Stäbe auf kleinen Hügeln neben der Straße. Um diese muss man dreimal herum laufen, dann am besten noch, Buddha muss wohl eine Schwäche für Süßes und Hirse gehabt haben, ein Bonbon dalassen und dann wird man auf der Straße beschützt. Kurz darauf entdeckten wir dann die ersten frei laufenden Kamele, als die beiden mit uns in die Wüstenstadt Sainschand fuhren. Von dort trampten wir mit einem rasant fahrenden Transporterfahrer weiter in Richtung eines in der Nähe liegenden Tempels, Khamaryn Khiid, den wir uns gern anschauen wollten. Nach einem Abstecher zu seiner abseits der Straße liegenden Ger, wo er seine Ladung, vermutlich jede Menge Airag, ließ, fuhr unser Transporterfahrer uns noch kurz im Mordstempo durch die Wüste zum Tempel, schmunzelte aber über Lindas Kommentar, er sei wohl Michael Schuhmacher.
Beim Tempel angelangt, schwitzend und unsere Gedanken ordnend, kam mit wehenden Locken Javi auf seinem Fahrrad daher gefahren. Javi war zum Erstaunen der Mongolen mit dem Fahrrad durch die Wüste gefahren und verweilte jetzt ein paar Tage in einem Ger Camp um diesen magischen Ort zu entdecken. Er erzählte uns viel über den Tempel und die Umgebung und lud uns ein, ihn später im Camp zu treffen. Als Javi in Richtung der roten Berge davonfuhr konnten wir selbst den Tempel ein wenig entdecken. Ein netter junger Mönch lud uns sogleich ein, ihm in eins der prächtigsten Gebäude zu Folgen und erklärte uns anhand der vielen bunten und goldenen Bilder und Figuren im Tempel viel über den Buddhismus. Auf unsere Frage hin, ob nur Mönche Nirwana erreichen könnten, lachte unser junger Begleiter. Er erklärte uns, dass man ja auch beim Pferd nicht wüsste ob es nicht vielleicht meditiere, wenn es einfach dort steht und die Augen geschlossen hält. Das führte dazu, dass Jeroen und ich uns danach bei jedem kleinen Käfer, Kuh und Kamel überlegten, ob wir nicht vielleicht ein hoch spirituelles, meditierendes Tier vor uns hatten.
Von Javi erhielten wir die Info am nächsten morgen noch vor Sonnenaufgang eine weitere spirituelle Stätte zu besuchen. Etwas weiter hinter dem Tempel, in den roten Hügeln, gab es einen magischen Kreis. Dort konnte man sich drauflegen und sozusagen, die Batterien aufladen, wenn wir richtig verstanden. Voller Tatendrang machten wir uns also morgens in der früh auf und wurden zunächst von einem atemberaubenden Sonnenaufgang über den roten Hügeln der Gobi Wüste belohnt. Wir betrachteten die Landschaft auf einem kleinen Glockenhügel, um den zu unserem Erstaunen kleine Vodkaflaschen verbreitet lagen. Es war anscheinend ein Brauch in diesem Tempel Vodka zu opfern und wie wir von Javi erfuhren, lag dies vor allem daran, dass auch der Lama, der das Kloster damals gründete einem Tröpfchen mit der Bevölkerung nicht abgeneigt und auch sonst eher progressiv gestimmt war. So durften in Khamaryn Khiid Frauen und Männer zusammen verweilen und der gründende Lama mit einem großen Interesse an Kunst und Kultur eröffnete eins der ersten Theater vor dem Tempel, in dem eine Aufführung etwa einen Monat dauerte. Als wir noch beim Glockenturm verweilten, kam eine Wagenkolonne aus Richtung Sainshand angebraust. Anscheinend hatte auch diese angeblich vom besten Führer der Gobi Wüste geleitete Gruppe von den magischen Kräften am frühen Morgen gehört. Als wir also zum magischen Kreis kamen, der sich in einer weiteren Tempelanlage befand, führte der beste Führer der Gobi Wüste seine Gruppe enthusiastisch durch die Anlagen. Im Kreis lagen auch schon ein paar Leute. Wir wollten den Kreis auch mal ausprobieren und während Linda, im Kreis liegend, schon meinte ein leichtes Vibrieren zu spüren, stimmte der beste Führer der Gobi Wüste lautstark mit seiner Reisegruppe ein Lied an. Dies führte dazu, dass ein neben uns liegendes Pärchen seine Handys einschaltete und nun auch aus den Handys, die das Pärchen sich auf die stattlichen Bäuche gelegt hatte, Musik erklang. Von zwei Seiten beschallt, wurde das von Linda gespürte Vibrieren auch gleich schon schwächer. Jeroen, wohl weniger empfänglich für die energetischen Kräfte der Natur, spürte sowieso mal wieder nichts außer Steine, die im Rücken drückten.
Wir zogen also weiter durch die roten Hügel und endeckten auch noch ein paar alte Höhlen, in denen die Mönche sich früher vor den Russen versteckt hatten. Neben verschiedenen von Opfergaben gefüllten Höhlen, gab es dort anscheinend auch einen weiteren magischen Ort. So konnten wir beobachten, wie ein paar Mongolen, sich mit dem Rücken an einen Fels lehnten. Gekrönt wurde das Ganze von einer Familie, die ihre kleinen Kinder nahm und mit dem Rücken am Felsen rieb. Das ganze war etwas skurril, aber auch wenn wir nicht komplett von der Magie des Felsens überzeugt waren, so hatte die Landschaft und die Geschichte des Ortes dennoch eine magische Aura, der selbst Jeroen sich nicht verweigern konnte.
Am Nachmittag philosophierten wir mit Javi, bei Milchtee (eine Mischung aus Tee, Ziegenmilch, Butter und manchmal Hirse) in dem Ger Camp, in dem Javi schon Teil der Familie geworden war, über Buddhismus und das Leben und lernten dann noch ein paar im Camp verbleibende Mongolen kennen, die uns zu Vodka in ihre Ger einluden und uns willkommen hießen, sie in der Grenzstadt Zamii-Uud auf der Durchreise zu besuchen. Als wir uns nach dem geselligen Beisammensein zurück auf den Weg zu unserem Zelt machten, das wir irgendwo in den Hügeln aufgestellt hatten, kam eine düstere Überraschung. Im Gegensatz zur vorherigen Nacht, in der ein voller Mond die Umgebung beschien, war diese Nacht bewölkt und von unserem Zelt in den Bergen keine Spur. Lampen hatten wir nicht dabei und so irrten wir also durch die Dunkelheit, bis wir nach einer gefühlten Ewigkeit einen kleinen Weg entdeckten und uns grob erinnerten, dieser könnte in der Nähe des Zeltes verlaufen sein. Als wir schon glaubten, zum Ger Camp zurück kehren zu müssen und Javis freundliches Angebot, bei ihm in der Ger zu übernachten, anzunehmen, endeckten wir, etwa zwei Meter von uns entfernt, dann doch die schemenhaften Umrisse eines Schattens, der unserem Zelt glich und krochen kurz darauf glücklich in unsere Schlafsäcke.
Es folgte unser letzter Tag in der Wüste und so hatten wir bei Milchtee und einer leckeren Mahlzeit im Ger Camp auch noch die Chance den kleinen Lama kennen zu lernen, der erst vor kurzem aus seinem entfernten zu Hause im Norden der Mongolei, in den Tempel gebracht worden war und sich im Ger Camp etwas verwöhnen ließ. Als Lama auserkoren, war er mit seinen zarten fünf Jahren ins Kloster gebracht worden um dort seine spirituelle Ausbildung zu beginnen. Obwohl der kleine Knabe sich in einer überaus liebevollen Umgebung befand, war es für uns schwer vorstellbar, einen kleinen Jungen soweit von seinen Eltern weg zu bringen. Mit Javi beschlossen wir später am Abend zusammen auf einer Sanddüne den Sonnenuntergang zu beobachten und so zeigte sich die Wüste noch einmal von ihrer besten Seite bevor wir am nächsten Morgen weiter Richtung chinesischer Grenze aufbrachen. Mugka, Zula und Damut quetschten uns in ihr kleines Auto und fuhren uns mit knatschenden Stoßdämpfern und trotz unser mehrfacher Versicherungen, wir könnten auch ein anderes Auto suchen, um die Stoßdämpfer zu entlasten, bis nach Zamii-Uud.
In Zamii-Uud machten wir dann auch gleich unser Versprechen war, und kontaktieren unsere neu gewonnenen Freunde aus dem Ger Camp in Khamaryn Khiid. So bereiteten uns Bayra, Elka, Mega und Djaky einen pompösen und generösen Abschied aus der Mongolei. Barya holte uns mit seinem Bruder Mega vom Stadtzentrum ab und lud uns in ein Restaurant zu einem Festmahl, zudem sich auch noch sein Bruder Elka und dessen Frau Djaky gesellten, mit chinesischem Hotpot und Unmengen an Vodka ein. Das Essen war ein wahrer Genuss doch während Linda sich den Vodka durch ihre Rolle als Frau gut vom Leibe halten konnte, musste Jeroen mittrinken. Und hier hatte er es mit gesottenen Kämpfern zu tun. Nichts half, vehemente Beschwörungen er habe genug, Alkohol im Glas lassen und sogar das Glas umgedreht auf den Tisch stellen. Zwei Vodkaflaschen standen auf dem Tisch, zwei Vodkaflaschen mussten getrunken werden. Nach einer Weile hatte Jeroen einen geschickten Trick entwickelt, den Vodka nach jedem Prosten einfach in eine leere Sodadose zu spucken. Doch während Jeroen und die Sodadose immer voller wurden und sein Geist zunehmend verwirrter, kam auch schon die dritte Vodkaflasche herbei gebracht. Nach dieser wurde der arme leicht kichernde Jeroen dann endlich von seinen Qualen erlöst und wir wurden von Bayras netter Frau, die glücklicherweise nicht mitgetrunken hatte, in das Hotel eines Freundes gefahren, in dem wir gegen unsere vehementen Proteste, wir könnten auch im Zelt schlafen, eine äußerst komfortable, wenn auch kurze Nacht verbrachten.
Bayra versprach uns am nächsten Tag über die Grenze zu helfen und zusammen mit Elka, der als Grenzbeamter tätig war, stand er auch am nächsten Morgen im Frühstücksraum des Hotels und die beiden, nachdem sie einen Schluck Vodka getrunken hatten, fuhren mit uns zur Grenze. Schneller hätten wir die Grenze wohl kaum überqueren können, denn unsere neuen Freunde hatten Beziehungen. Wir fühlten uns ein bisschen, wie in einem russischen Spionagefilm als wir in einen von unglaublich vielen vor der Grenze wartenden Jeeps geschoben wurden und die taffe Fahrerin mit ihrem jungen Begleiter uns mal hier- und mal dorthin lotsten, uns bedeuteten ein- und auszusteigen oder ihnen zu folgen. Vor der chinesischen Grenze konnten wir auch ein seltsames Spektakel der Jeepfahrer beobachten. Die vielen Jeeps schienen, Dinge über die Grenze zu transportieren und mussten dafür anscheinend irgendwelche Formulare abgeben. Anscheinend gab es hierbei eine Art Ehrenkodex alles möglichst schnell abzuwickeln, um die anderen nicht unnötig warten zu lassen. Das führte dazu, dass wir, als wir darauf warteten, dass unsere Begleiterin uns von irgendwo, wo sie uns stehen gelassen hatte, wieder abholte, beobachten konnten, wie immer wieder Jeeps mit quietschenden Reifen hielten, Leute mit Dokumenten herausprangen, in ein Gebäude stürmten, dann wieder zurück zum Jeep sprinteten und zackdiwumm weiterfuhren. Nach einer Weile wurden wir dann von der Fahrerin abgeholt, rannten zum Jeep, der gerade mit quietschenden Reifen vom jungen Begleiter der Dame vorgefahren war, sprangen ins Auto uns zogen schon im Fahren die Tür zu und wurden so im Rekordtempo über die chinesische Grenze gebracht.