Beijing, August 2016
China hat uns überrascht! Wie sagte noch der kleine Bär zum kleinen Tiger? “In Panama ist alles viel schöner und grösser!” So kamen wir in der Grenzstadt Eerenhot an und staunten nicht schlecht. Roller, Rikschas und Autos rollten über Hochglanzstraßen. So eine Infrastruktur hätten wir vielleicht direkt um Beijing herum erwartet, aber doch nicht in der inneren Mongolei (eine Provinz von China)! Vielleicht nur so ein Angeberding, wie Putins Straße an der mongolisch-kasachischen Grenze in den Altaibergen dachten wir uns und staunten nicht schlecht, dass sogar hier im Westen von China, in dem wir mittlerweile angekommen sind, die Straßen denen im Osten in nichts nachstehen. Während wir über die Straßen staunten, staunten die Chinesen über uns. Gleich in Eerenhot direkt hinter der mongolischen Grenze fing es an und hörte nicht mehr auf. So liefen Kinder an uns vorbei, rissen mit einem lauten „Boah“ die Augen weit auf und holten ihre Freunde, um sich die eigenartigen Gestalten mal anzuschauen. Rikschafahrer verdrehten die Köpfe und konnten nur knapp ein paar Auffahrunfällen entgehen. Viele Leute wollten Fotos mit oder zumindest von uns. Wir fühlten uns zum ersten Mal im Leben wie richtige Stars.
So zogen wir durch Eerenhot und während wir durch den Schwarzmarkt (da gibt es fast alles), den Supermarkt (da gibt es echt alles, …außer Brot) und ein paar Straßen schlenderten, versuchten wir das Abenteuer, Trampen in China, noch etwas hinauszuschieben. Wir hatten schon gehört, dass Trampen in China nicht weit verbreitet ist, aber die Leute durchaus neugierig sind und trotzdem halten. Die Neugier hatten wir auf unserer Seite und außerdem einen Zettel von einem netten Chinesen, den wir in der Mongolei getroffen hatten, auf dem unsere Art des Reisens und die Bitte uns ein Stück mitzunehmen, auf Chinesisch erklärt standen. So wurden wir schon kurz darauf von einem chinesischen Pärchen, 30 km aus der Stadt gefahren und beschlossen dort unser Zelt aufzuschlagen. Dort in der inneren Mongolei konnten wir noch einmal in mongolische Melancholie verfallen und eine Pferdeherde im Sonnenuntergang beobachten.
Wir stellten uns am nächsten Tag wieder frisch und ausgeruht an die Straße. Sehr schnell hielt auch ein Auto, allerdings sehr weit von uns entfernt. Bestimmt nicht wegen uns, doch dann: Das Auto bewegte sich, schwer auszumachen ob rückwärts oder vorwärts. Tatsächlich rückwärts, leicht nach links. Stop. Ein bisschen vorwärts. Also wohl doch nicht. Häh, wieder rückwärts, diesmal leicht nach rechts. Stop. Hmmm. Wieder rückwärts, leicht nach links. Und wir begriffen: Da versuchte doch tatsächlich jemand verzweifelt seinen luxuriösen Mercedes rückwärts entlang des Seitenstreifens zu fahren um uns mitzunehmen. Wir waren gerührt, packten also unsere Taschen und rannten zum Auto, um den armen Fahrer, wie sich zu Lindas großer Enttäuschung herausstellte, eine Frau, von dieser unerfüllbaren Aufgabe zu befreien. Glücklicherweise stellte sich später heraus, dass auch chinesische Männer nichts vom Rückwärtsfahren halten. So hielten die Chinesen, die uns mitnahmen in der Regel einfach mitten auf der Straße, wenn doch jemand zurücksetzen wollte, dann indem einfach das Auto gewendet und auf dem Seitenstreifen als Geisterfahrer zurückgefahren kam.
Die nette Dame und ihre Tochter, die es mit dem Rückwärtsfahren zumindest versuchten, nahmen uns also mit zur nächst größeren Stadt, wo wir kurz darauf in Lee Fans Porsche hüpften, der uns die ganzen 650 km nach Beijing mitnahm. Die Angst vorm Trampen in China war wie weggeblasen und wie der Mensch so ist, mit einer Stichprobe von zwei Autos, bildeten wir uns natürlich auch gleich ein, in China trampe man nur in Luxusautos.
Im Auto mit Lee Fan stellten seine Schwester Sisy am Telefon und eine Übersetzungsapp sich als große Helfer heraus, da Fan leider kaum Englisch sprach. Der arme Fan schaute immer etwas verwirrt, wenn wir zwischendurch lauthals zu lachen ausbrachen, da die App teilweise sehr lustige Übersetzungen zustande brachte ( „Dumplings are Chinese people will eat and dumplings are not this season then in the evening I take you to eat it leek dumplings you eat it.“) Das hielt ihn aber nicht davon ab, uns gleich zweimal zum Essen einzuladen und wir lernten das chinesische Essen sofort lieben. Auch hier ganz im Gegensatz zu unseren durch die westeuropäisch meist fastfoodähnliche chinesische Küche Erwartungen wurden wir in China sogleich kulinarisch überrascht und freuten uns umso mehr auf die zwei Monate, die die chinesische Botschaft uns in dem riesigen Land gestattet hatte. Wir waren aber auch etwas verunsichert. Darf man sich in China beim Essen die Nase putzen? Müssen wir schmatzen und schlürfen, um unsere Dankbarkeit zu zeigen?
Als wir also in Fans Schlepptau zum Abendessen im Restaurant in Beijing schlurften, konnten wir gleich ein paar chinesische Eigenarten beobachten. Chinesische Männer lieben es, ihr T-Shirt über dem Bauch einzuklemmen und so den Bauch gut durchzulüften. Das T-Shirt wird dabei also nicht ausgezogen. Wem der passende Bauch dazu noch fehlt, der klemme das T-Shirt einfach unter die Achseln. Wir probierten das später auch. Ist tatsächlich sehr zu empfehlen.
Das Schmatzen scheint eine weitere chinesische Eigenart. Uns Westeuropäern schon auf Kindesbeinen mit harter Arbeit abtrainiert. Aber warum eigentlich? Wie jeder Weinkenner oder russischer Teekenner wohl bestätigen kann muss Geschmack atmen. Das lässt sich dadurch erreichen, möglichst viel Sauerstoff an die Nahrung zu lassen. Das heißt also schlürf die Suppe, schmatz das Essen und alle Feinheiten der chinesischen Küche Werden sich zu einem wahren Geschmackserlebnis entfalten. Während also das chinesische Essen uns durchaus half, unsere Sehnsucht nach Hause zu schmälern, wissen wir schon jetzt, dass das chinesische Essen uns fehlen wird. Wie Lee Fans App es ausdrückte: „Chinese saying goes eat will not homesick“.