„Dieser Mann ist sehr alt, er kennt den Weg“

China, Oktober 2016

„Allah-u-Akbar“ tönt es von den Minaretten. Fünf Uhr morgens und eigentlich wollen wir noch schlafen, aber naja, „inshallah“ hört es gleich wieder auf. Seltsam, diese Vorbereitung auf das Paradies, wenn man sich eigentlich schon in diesem befindet. Das Hunzatal in das wir über den Kunjherab Pass aus China eingereist sind, ist wahrscheinlich der schönste Ort, der uns auf unserer Reise bisher begegnet ist. Alles leuchtet in Herbstfarben, dahinter türmen sich Berge mit weißen Spitzen auf.

Schon der Weg von Kashgar über den Karakorum Highway in Richtung Pakistan war ein wahrer Augenschmaus. Von Kashgar brachen wir trampend nach Süden auf. Zunächst also mit dem Bus etwas aus der Stadt. Vorbei an einer Polizeistation. Die Uiguren müssen sich abmelden, wenn sie von Stadt zu Stadt reisen. Wegen der Sicherheit. Also kurz gewartet und weiter aus der Stadt heraus. Von der schönen Umgebung konnten wir dort aber leider eher wenig sehen. Es tobte nämlich ein Sandsturm. Zwei Mitfahrgelegenheiten weiter waren wir auch tatsächlich mitten drin. Maskiert mit Mundschutz und Sonnenbrillen stellten wir uns also an den Weg und hofften, dass ein vorbeifahrendes Auto uns überhaupt sehen würde, denn die Luft war voller Sand. Die Rettung ließ nicht lang auf sich warten, als ein Jeep angefahren kam, in dem die ersten Tramper, die wir in China trafen, zwei Chinesen, saßen und auf der Rückbank für uns zusammen rückten. Schon nach wenigen Minuten beendete der Jeep aber seine Fahrt und so versuchten wir unser Glück zu viert mit Angela und Aron am Straßenrand. Ein Melonenwagen hielt, Angela stürmte mit vollem Enthusiasmus darauf zu und nachdem wir unsere Rucksäcke auf den Melonen verstaut hatten, fanden wir zum Glück alle einen Platz. Unser nächster freundlicher Fahrer fuhr uns zum Glück alle vier bis zum Karakol See, wo Angela und Aron spontan entschieden, uns Gesellschaft zu leisten.

Unser Fahrer hatte Kontakte am See und bat einen Freund uns vier für die Nacht aufzunehmen.
Wir alle beschlossen für unseren Gastgeber, Kaule und uns selbst zu kochen und machten uns auf zum Supermarkt. Auf Angela’s bewundernde Äußerung hin „ihr wisst wie man Knoblauch zubereitet!?!“, beschlossen wir den Teil des Kochens zu übernehmen.

Ein paar Freunde von Kaule kamen vorbei von denen einer bewundernd Jeroen bestaunte „zwei Meter groß!“, dafür gab es ein respektvolles Lächeln und ein Daumen hoch in Lindas Richtung, die sich sogleich fühlte, als habe sie einen prachtvollen Hirsch geschossen.
Die Nacht war leider weniger glorreich, da Kaule beschlossen hatte, mit seinen Kumpels die Nacht durchzuzechen. So versuchten wir also, Kopf neben dem Kohleofen, aus dem immer wieder große Rauchwolken kamen, der Abzug funktionierte wohl nicht richtig, mit Kaules lärmenden Gästen und einem voll aufgedrehten Fernseher über unseren Köpfen doch noch etwas Schlaf zu finden.
Die frische Bergluft am See am nächsten Morgen half uns den Schock der Nacht zu verarbeiten. Außerdem hatte Angela bei einer netten Familie im Dorf ein Frühstück für uns organisiert. Bei leckerem Milchtee und Brot konnten wir also wieder zu Kräften kommen und kurz darauf zogen wir weiter Richtung Taschkurgan.

In Taschkurgan leben viele Leute mit kirgisischem Hintergrund. Die Frauen tragen ganz lustige Kopfbedeckungen mit einem runden Hut über einem Tuch und die Männer begrüßen sich mit einer Art Faustkuss. Wir verbrachten die Nacht in einem Hotel, zum Zelten war es noch immer viel zu kalt, und wollten am nächsten Morgen den Bus nach Pakistan nehmen. Über die Grenze darf man leider nicht trampen und so versuchten wir morgens den Weg zum Bus zu finden.

Glücklicherweise stolperten wir sogleich in Mohammad und seinen älteren Begleiter. Die beiden Pakistani waren auch auf dem Weg zum Bus und boten uns ihre Hilfe an.

Leicht gestresst, da der Bus schon in einer halben Stunde abfahren sollte und wir gehört hatten, er sei oft schnell ausgebucht und vor dem Hintergrund nur noch einen Tag auf unserem Chinavisum zu haben, begaben wir uns dennoch vertrauensvoll in die Hände unser beiden Begleiter. Auf unsere ständigen Nachfragen, ob wir nicht langsam zum Bus gehen müssten, während unsere Begleiter uns noch seelenruhig zu einem reichhaltigen Frühstück einluden, versicherte Mohammed nur mit Blick auf unseren zweiten Begleiter: „Dieser Mann ist sehr, sehr alt. Er kennt den Weg.“

Und tatsächlich, mit absoluter Gelassenheit schafften die beiden es doch immer uns an den Anfang jeder Schlange und auf die besten Plätze im Bus zu befördern.

Damit folgte der atemberaubendste Grenzübergang unser Reise. Vorbei an den vielen Checkposts durch weiße Berge, vorbei an Highback Herden ging es hinauf zum über 4000 m hohen Khunjerab Pass. Mit lautem Gejubel aus dem Bus überquerten wir dann die Grenze. Wir waren in Pakistan!

Oben angekommen, dann gleich der erste Schreckmoment. Ein kleiner Reisebus war ins Schlingern gekommen und schien wie in Zeitlupe den Berg runterzurollen. Zum Glück nur etwa 2m tief. Alle Insassen kamen mit einem Schock davon und wir auch. Es waren dennoch alle Insassen unseres Busses, bis auf Linda ausschließlich Männer, zur Unglücksstelle geeilt, um den Insassen des anderen Busses, in diesem Fall fast ausschließlich junge Damen, zu helfen oder aber zumindest ein paar Selfies zu schießen.

Wir kamen zum Glück heil in Pakistan an und wurden in Passu mit leuchtenden Herbstfarben, vollen Apfelbäumen vor einer Kulisse aus weiß bestäubten Bergen belohnt. Bei einem Spaziergang im Abendlicht, glaubten wir vielleicht eine Antwort auf die sooft gestellte Frage nach dem schönsten Ort unser Reise zu haben: „das Hunzatal im Norden Pakistans.“

Hitchhiking in a sandstorm on the KKH
Bulungkol lake
Andrea (right) and Aaron (left) in Subaxcun
Baby Yak at Karakul Lake
Hitching from Subaxcun to Tashkurgan
In the bus from Tashkurgan to Sost
KKH towards the Kunjerab Pass
Autumn in Pasu in Pakistan

Kalte Berge

China, Oktober 2016

Wir kamen durch Zufall zum Nan Shan mit Yuko und Winshan, die uns irgendwo auf der Straße südlich von Urumqi aufpickten, nachdem ein freundlicher Minibusfahrer uns aus der Stadt gebracht hatte. Yuko und Winshan würden bald heiraten und waren auf einer Art Vorhochzeitsfotoreise, um an verschiedenen besonderes Spots Hochzeitsfotos zu schießen – das scheint so ein Ding in China zu sein. An diesem Abend waren sie ohne Fotoequipment unterwegs zum Nan Shan, dem Südberg. Das ist ein Gletscher, den man bei gutem Wetter im Süden Urumqis aufragen sieht. Sie schlugen spontan vor, uns dorthin mitzunehmen und danach wieder an der Hauptstraße abzusetzen.

Während wir immer höher fuhren und es draußen immer dunkler und kälter wurde, hatten wir zwar mit Unbehagen über die uns wahrscheinlich bevorstehende schrecklich kalte Nacht im Zelt zu kämpfen, aber die Aussicht die sich uns im Sonnenuntergang auf den Nan Shan bot, machte das Unbehagen wieder wett. Dennoch schien unser Vorhaben im Zelt zu schlafen im Angesicht der sich langsam auf den Pfützen formenden Eisschicht nicht unbedingt die beste Idee. Zum Glück gab es beim Nan Shan ein paar Jurten und nach Yukos Verhandlungsgeschick mit dem Jurtenbesitzer (wir verstehen kein Chinesisch, aber sie schien mit weinerlichem Ton irgendwie sowas zu sagen wie, dass wir im Zelt erfrieren würden und er doch Erbarmen haben solle) bekamen wir auch einen Schlafplatz und Kohle für den Ofen. Gemütlich warm war es noch immer nicht, aber um den Ofen gekauert teilten wir noch ein vorzügliches von der Jurtenbesitzerin gekochtes Abendessen mit Yuko und Winshan bis die beiden sich in der Nacht zurück auf den Weg nach Urumqi machten und wir uns in Winterjacken gehüllt unter 5 Decken in der Jurte ausbreiteten.

Wir beschlossen die Gegend um den Nan Shan am nächsten Morgen noch etwas zu erkunden und machten uns auf zu einer kleinen Schneewanderung in der Umgebung. Nach etwa 100 m laufen, kamen wir dann auf die grandiose Idee einen Schneemann zu bauen (wahrscheinlich trieb uns die Gewissheit in diesem Jahr keinen richtigen Winter mehr zu erleben) und so blieb die Schneewanderung eine kurze Wanderung, mit viel Spaß aber leider nassen Füssen. Es wurde auch Zeit weiterzukommen in niedrigere Gefilde, um die nächste Nacht dann vielleicht doch im Zelt zu überstehen. Wir trampten also los, fuhren zunächst in die falsche und dann wieder in die richtige Richtung und kamen gegen frühen Abend nach Ulanbherk Bekint, einem winzigen Dorf, wo es auch viel zu kalt war.

Wir beschlossen noch weiter zu trampen zur nächsten Stadt, die wieder niedriger wäre, aber zu unserem Glück hielt vor uns Gabli, der uns in sein Auto winkte und uns sogleich einen Schlafplatz anbot. So trafen wir Gablis kleine Familie, seine Frau Galiba, den kleinen Noahjason und den zehnjährigen Xiashan, die in ihrem kleinen Haus gemütlich zusammen wohnten. Gabli hatte kasachisch- kirgisische Wurzeln und das kleine Häuslein war mit vielen Teppichen auf einer Plattform und mit einem Kohleofen davor in diesem Stil eingerichtet. Es war unglaublich warm und gesellig mit den Vieren. Während Noahjason fröhlich mit seinen offenen Hosen (ganz im chinesischen Stil) auf der Plattform rumturnte und seine Eltern darüber wachten, dass er nicht aus Versehen runter auf den Ofen stürzte, wurden wir mit Essen und Milchtee versorgt und fühlten uns so wohl und so zu Hause wie schon seit langem nicht mehr. Während Gabli, Galiba und Xiashan sich beste Mühe gaben mit dem Englisch, das die drei zusammenkratzen konnten, eine Unterhaltung mit uns zu führen, sprang Noahjason immer wieder voll Vergnügen, den nackten Popo in die Luft gestreckt in einen Haufen Decken und Kissen.

Mit ein bisschen Wehmut doch voll Dankbarkeit für die schöne Begegnung stellten wir uns am nächsten Tag wieder an die Straße, die in der Morgenluft den Blick auf die atemberaubende Berglandschaft freigab. Nach einer Weile, die wir die Straße entlang marschierten, hielt dann auch ein Auto für uns. Einer der beiden Insassen hatte eine Verletzung am Bein und machte trotz unserer Proteste Platz für uns, was ihn in eine deutlich unkomfortablere Sitzposition brachte. Zum Glück hatten die beiden es nicht besonders weit und wir hüpften schon kurz darauf in einen Jeep. Die beiden Männer fuhren mit Mordsgeschwindigkeit die Berge hinauf und wir zitterten auf der Rückbank im Angesicht der Abgründe, die sich abwechselnd links und rechts von uns auftaten. Wir realisierten auch, dass Gabli uns in der Nacht zuvor wohl gerettet hatte. Wir konnten uns nicht vorstellen, jemand wäre auf die verrückte Idee gekommen, diesen unglaublich hohen Bergpass noch am Abend zu überwinden. Je höher wir kamen umso eisiger wurden die Straßen. Wir hörten irgendwann auf, die heruntergestürzten LKW zu zählen und waren erstaunt als wir tatsächlich einen Koloss entdeckten, der es gewagt hatte, sich die Berge trotz Eis und Schnee Richtung Urumqi hochzuwälzen.

So erreichten wir Heijing, wo wir zunächst Pläne machten, wie wir weitereisen würden. Die nassen Füße hatten bei Linda zu einer heftigen Erkältung geführt und wir beschlossen uns ein Hotel für die Nacht zu suchen und auszuruhen. Die chinesischen Hotels wollten uns aber nicht sondern nur Chinesen und so trampten wir noch ein Stück weiter Richtung Korla, nicht ohne davor noch einmal gründlich von der Polizei kontrolliert zu werden. Es hatte gerade jemand für uns gehalten, als das Polizeiauto vor unsere Füße rollte und drei Polizisten ausstiegen, die unsere Pässe und Taschen aufs Genaueste untersuchten. Wir hatten ein schlechtes Gewissen, weil der nette Kerl, der für uns gehalten hatte, geduldig wartete und die Kontrolle etwas überflüssig gründlich schien. Gekrönt wurde das ganze davon, dass die Herren Polizisten anscheinend vor allem eines wollten: ein Foto mit Jeroen. Als dieser einwilligte wurde mit strahlenden Augen vor dem Auto posiert und wir durften weiterfahren.

In Korla erholten wir uns. Ein paar ruhige Tage, zwischendurch amüsiert von ein paar chinesischen Tanzperformances im Park und buchten dann einen Zug Richtung Kashgar. Während es Linda gerade wieder etwas besser ging, fühlte jetzt Jeroen die Erkältung herannahen und zu allem Unglück hatte der Zug 15 Stunden Verspätung wegen Regen und Sturm. Zum Glück ließ uns das freundliche Bahnhofspersonal in den erste Klasse Wartesaal, wo wir dann wohl etwas zum Erstaunen der Anwesenden unsere Isomatten und Schlafsäcke ausrollten.

Irgendwann am nächsten Tag kam dann der Zug und in der Nacht kamen wir in Kashgar an, wo wir in weiser Voraussicht ein Hostel gebucht hatten. Wir hatten noch eine Email geschrieben, um das Hostelpersonal zu informieren, dass wir später ankamen, doch Emails wurden dort anscheinend nicht gelesen. Es war kein Zimmer mehr frei. So wurde uns angeboten Linda könne in einem Schlafsaal und Jeroen draußen auf dem Dach schlafen. Wir waren wütend und erschöpft nach einer Nacht am Bahnhof und einem Tag im chinesischen Dudelzug (man wird immer mit Musik oder Durchsagen beschallt). Irgendwie arrangierten wir uns dann damit unser Zelt auf dem Hosteldach aufzuschlagen und verbrachten noch ein paar schöne Tage in Kashgar, dessen Flair eher an arabische Gassen als an chinesische Pagoden erinnert. Die meisten der Strukturen sind allerdings eher auf alt gemacht und nicht mehr wirklich historisch. Das Flair ist aber trotzdem recht nett und wir wurden von einigen witzigen Ladenschildern amüsiert: „put in false tooth center“oder auch „chicken with fish flavour“.
Wir zogen also durch die Straßen, oft auf der verzweifelten Suche nach vegetarischem Essen, da es vor allem gegrilltes Lamm zu geben schien oder die schönen Häuserfassaden und bunten Stoffe auf dem Bazar bewundernd. Auf dem Bazar kam uns die grandiose Idee ein paar schöne Schals an die Familie zu schicken, doch wieder einmal hatten wir unsere Rechnung ohne die chinesische Post gemacht. Schon das Postkarten verschicken in Qingdao war ein wahres Desaster gewesen doch nichts im Vergleich zu dem was in Kashgar passierte. Wir mussten dreimal zur Post geben um unfreundlich angeblafft zu werden und dann letztendlich unsere drei kleinen Pakete mit Briefmarken zu tapezieren und dann abzuschicken.

Nachdem diese finale Hürde genommen war, ging es aber los für uns. Kashgar ist der Ausgangspunkt für den hochgerühmten Karakorum Highway (KKH), der vielleicht die schönste Bergstraße der Welt ist und China und Pakistan miteinander verbindet. Voller Erwartungsfreude stiegen wir also in den falschen Bus. Danach in den richtigen Bus und machten uns hoffnungsvoll auf Richtung Pakistan.

Yurt Nanshan
Snowmen Nanshan
Snowmen waiting for a ride
Butterflies Nanshan
Hiking Nanshan
Family in Ulanberkh
Old factory close to Nanshan
Truck wrecks on the way to Korla
Police foto shoot on the way to Korla
Kahsgar city wall
Kashgar tea house
Jeroen in teahouse
School manoeuvre Kashgar
Dentist sign Kashgar
Restaurant sign Kashgar
Linda on Kashgar bazar
Who finds the little girl?