„Hilfe, die Uiguren kommen!“

China, Oktober 2016

Urumqi: wir waren in Urumqi angekommen und damit der Heimat nach einer strapazenreichen Zugfahrt wieder sage und schreibe 2500 km näher.

Nachdem wir aus Sicherheitsgründen aus dem Bahnhof geworfen wurden, aus Sicherheitsgründen unser Wasser abgeben mussten um in einen Stadtbus zu steigen und aus Sicherheitsgründen nicht in einige Parks gelassen wurden, erreichten wir zum Glück ganz spontan Mark, der uns zum Couchsurfen einlud.

Urumqi ist eine Stadt, die sich schon seit über 7 Jahren im Ausnahmezustand befindet. Die Provinz Xinjiang wurde vor allem von den Uiguren bewohnt. Dazu noch verschiedene tadschikische, kirgisische und kasachische Volksgruppen. Die Siedlungspolitik der chinesischen Regierung, Anreize für Han Chinesen (etwa 95% der Chinesen sind ethnisch Han) zu schaffen, hat aber mittlerweile in manchen Gegenden zu einer Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse geführt. Hinzu kommt, dass die chinesische Regierung nicht nur rigoros Xinjiangs Bodenschätze ausbeutet sondern auch, dass Han Chinesen meist die besseren Jobs und den besseren sozialen Status in der Region haben. Das, zusammen mit Unabhängigkeitsbestrebungen der Uiguren und, teils als Antwort teils als Grund, einer starken Einschränkung der Persönlichkeitsrechte von Uiguren, hat in der Vergangenheit zu blutigen Auseinandersetzungen geführt. Während Mark uns in die Perspektive eines Han Chinesen einweihte, konnten wir mit Frank, Kevin, Mehrzat, ihrem Lehrer und ihren Klassenkameraden die andere Seite der Medaille kennen lernen.

Mark war als Han Chinese im Urumqi geboren. Zur Zeit der großen Auseinandersetzung im Sommer 2009 war er aber zum Glück in Beijing. Im Juli 2009 kam es im Laufe einer Demonstration zu Zusammenstößen mit Sicherheitskräften die in gewaltsamen Ausschreitungen gegen Han Chinesen auf der Straße eskalierten. Die darauffolgenden Antworten der Han, obwohl von der Regierung abgelehnt, standen der Ausgangsrevolte in ihrer Grausamkeit in nichts nach. Danach wurde Urumqi zur Polizeistadt. Alles wird kontrolliert. Wo es eine Tür gibt, gibt es auch eine Sicherheitskontrolle. Das Straßenbild ist durch Panzerfahrzeuge, Patrouillen und Checkpoints gezeichnet. Wir strichen zusammen mit Mark durch die Stadt und er erklärte uns die neu gezogenen Grenzen. Nach den Revolten war die Mehrheit der Han in den Norden gezogen und die meisten Uiguren in den Süden. Obwohl das auch schon vor den Ausschreitungen den Mehrheitsverhältnissen entsprach, wurden die Grenzen jetzt „sauberer“. Das vorher pulsierende Zentrum Urumqis wurde mehr oder weniger eine Geisterstadt. Geschäfte wurden geschlossen, die ehemaligen Bewohner zogen in ihren jeweiligen Stadtteil nach Norden oder Süden. Nach den Revolten gab es immer wieder Angriffe auf Han Chinesen mit Messern und angeblich auch mit tödlichen Spritzen. Mark hatte eine wunderbar angenehme Art uns über Details des Konfliktes aufzuklären ohne dabei für eine Seite zu stark Partei zu ergreifen. Er ging mit uns auch in den Süden und damit den muslimischen Teil der Stadt. Mark hatte diesen Teil seit den Revolten und auch schon lange davor nicht mehr besucht.
Obwohl die Polizeipräsenz hier deutlich weniger aufdringlich war als im Norden, schlich sich ein mulmiges Gefühl ein als wir mit Mark durch die Straßen und den Bazar zogen. Mark hatte Angst, fühlte sich angestarrt. Er erklärte, dass das Gefühl wohl völlig unbegründet sei und trotzdem übertrug sich Marks Spannung auch auf uns. Wir spazierten also weiter auf der Suche nach einem Platz um etwas zu trinken und landeten so nach und nach wieder im nördlicheren Teil der Stadt.

Das mulmige Gefühl war wie verflogen als wir ein paar Tage später mit Frank und Kevin durch die Straßen im Süden zogen. Wir hatten die beiden zufällig durch einen anderen Couchsurfer kennen gelernt. Auf unsere Frage ob er auch Couchsurfe, antwortete Frank: „tut mir leid, es gibt kein Meer in der Nähe.“ Die beiden waren Uiguren, eigentlich aus dem Süden Xinjiangs aber seit ein paar Jahren in Urumqi um dort Englisch zu lernen. So kam es, dass die beiden uns dazu einluden, einen Vortrag über Deutschland in ihrer Schule zu halten.

Zum ersten mal trafen wir die beiden im Norden der Stadt. Auf unsere Fragen worin der Konflikt zwischen Uiguren und Han bestehe, wurde dort nur mit nervösen Blicken über die Schulter geantwortet. Später, als die beiden mit uns durch die Gassen im Süden strichen und uns mit Naan und Granatäpfeln versorgten, bekamen wir zwar zögerlich, aber doch ein bisschen mehr Informationen. Wie sooft in China wird freie Meinungsäußerung auch oder vor allem in Xinjiang teils aufs härteste bestraft und wir wollten unsere neuen Freunde ungern in Bedrängnis bringen. Sie teilten aber dennoch ein paar Informationen über Restriktionen, die die Regierung den Uiguren auferlegt hatte mit uns, wobei das ganze etwas diffus blieb. Bärte dürfen nur von Männern über 50 getragen werden. Staatsangestellten wird das Fasten im Ramadan untersagt. Uiguren dürfen ihren Wohnort nur mit vorheriger Abmeldung bei der Polizei verlassen. Anscheinend gibt es auch eine berühmte Uigurin, die aus Amerika aktiv ist, um den Widerstand zu organisieren, allerdings schien das eher zu den Hochsicherheitsthemen zu gehören, denn sobald Frank das Thema erwähnte, wurde er von Kevin mit einem Blick ermahnt nicht weiterzuerzählen.

Die beiden gaben sich alle Mühe unseren Aufenthalt schön zu gestalten und so nahte der Abend des Deutschlandvortrags. Der Klassenraum war voll gefüllt und Interesse bestand vor allem am Deutschen Bildungssystem. Gefühlt wollten alle Anwesenden gerne nach Deutschland um zu studieren oder eine Ausbildung zu machen. Angetrieben ist dieser Wunsch wohl vor allem durch die Abwesenheit von Studiengebühren und dem Irrglauben, Deutsche würden Moslems lieben und Juden hassen. Die letzteren zwei Punkte konnten wir im Gespräch hoffentlich richtig stellen, waren aber dennoch sehr irritiert von der Frage, was wir von Adolf Hitler halten und noch irritierter von der Antwort als wir die Frage zunächst zurückwarfen: „Wir denken das war ein cooler Typ!“ Das „warum“ wurde damit beantwortet, Hitler sei ein glorreicher Führer gewesen, habe Massen mobilisiert und das beste für sein Land gewollt. Die ganzen Toten? Ach das waren eh nur Juden, vielleicht noch ein paar Homosexuelle. Wir versuchten also noch ein bisschen zu erziehen und hofften, dass unser Vortrag über Menschenrechte, Hitlers zerstörerische Rolle für Deutschland, die Deutschen (bei denen wir durchaus auch Juden, Moslems, Christen, Atheisten, Homosexuelle, Regimekritiker und ja sogar auch die Nazis mit einschließen) und die Menschheit, zumindest ein wenig gefruchtet hat.

Wir waren stolz auf uns, unsere Wut zumindest einigermaßen zu beherrschen und mehr oder weniger sachlich zu bleiben. Vielleicht hatten vorherige Erfahrungen in Kasachstan und in der Mongolei, wo es auch ein Daumen hoch für Hitler gab, uns schon geholfen unsere Fassungslosigkeit zu überwinden. Die Juden- und Homosexuellenargumente schienen irgendwie nicht so richtig anzukommen, aber einige nickten zumindest halb zustimmend und bedrückt. Wir hoffen unsere Argumente haben dennoch ein bisschen gefruchtet und steter Tropfen höhlt den Stein, wie anscheinend auch eine steter Tropfen, leider aus einer verseuchten Quelle, die Köpfe dieser jungen Uiguren gehöhlt hatte. Im Internet kursieren zuhauf auf uigurisch übersetzte Hitlerreden und werden anscheinend unter anderem dazu verwendet Uiguren für den Widerstand zu begeistern. Vielleicht spielt auch Hitlers Feindschaft den Chinesen gegenüber, sein Bündnis mit der Türkei (Uiguren haben türkische Wurzeln) und allgemein der starke Wunsch nach nationaler Identität bzw. Selbstbestimmung eine große Rolle.

Der Abend stellte einen schrägen Kontrast zwischen auf der einen Seite großer Gastfreundschaft, Enthusiasmus und Spaß und der dunklen Seite der politischen Instrumentalisierung und Verblendung dieser jungen Menschen, die ihre Informationen ausschließlich von kuriosen Internetplattformen zu beziehen schienen, wohl auch aus einem begründeten Misstrauen gegenüber den herkömmlichen Nachrichtenkanälen. Nichtsdestotrotz endete der Abend recht unterhaltsam als einer der Anwesenden, Mehrzat, der in Schanghai deutsch gelernt hatte ein eins A Ständchen von Helene Fischer (er war wohl ihr größter Fan) zum Besten gab und danach die uigurische Musik voll aufgedreht wurde und im Klassenzimmer getanzt. Wir tanzten also auch auf uigurisch und mit großen Dankesreden von selbsternannten Klassensprechern wurde der Abend zum Ausklang gebracht.

Wir bekamen den Eindruck, dass dieser pompöse Abend auch ein verzweifelter Ausruf war in der eigenen Kultur wahrgenommen zu werden: „Wir sind nicht so wie die! Schaut was wir alles haben und wie gut das ist!“ Für uns war die Situation sehr spannend. Obwohl auf der einen Seite der Drang war, mit dem Schwächeren, in diesem Fall also den Uiguren zu sympathisieren und den Wunsch nach Selbstbestimmung und Ende der Ausbeutung und Unterdrückung zu unterstützen, stieß uns gleichzeitig die nationalistische Note und Degradierung der Han Chinesen ab, die damit einherging. Dazu kamen die Zelebration Hitlers, Hass auf Juden und Homosexuelle, die den Nationalismus doch allzu sehr mit dem Wort Sozialismus vermischten und einen mehr als bitteren Beigeschmack hinterließen.

Mehzat lud uns ein, in der Nacht bei ihm zu schlafen. Er war der einzige der Jungs, die nicht in der Schule im Dorm sondern alleine in einer Wohnung seiner Eltern lebte. Frank und ein weiter Kumpel begleiteten uns und die drei gaben sich alle erdenkliche Mühe unseren Verbleib so schön wie möglich zu gestalten. Mehrzat überraschte uns mit ein paar weiteren deutschen Schlagern, es wurde noch von ihm auf dem Keyboard begleitet, getanzt und dann schafften die drei alle möglichen Decken herbei für ein komfortables Nachtlager. Wir verabschiedeten uns am nächsten Tag als die Jungs zum Freitagsgebet in die Moschee gingen und wir weiter Richtung Südwesten.

No spitting sign Urumqi
No spitting sign in Urumqi
Urumqi skyline
Urumqi skyline
Alim and Frank in Urumqi
Alim and Kevin in Urumqi

Von Autobahnauffahrten und Raststätten

China, Oktober 2016

Iiiieeeeehtschschschsch! Mit quietschenden Reifen hielt ein Abschleppwagen vor uns mitten auf der Autobahnauffahrt. Wir hatten uns gerade erst an die Straße gestellt und die Freude war groß. Ein bisschen groß war auch die Angst. In China scheint es einen typisches Phänomen zu sein, zum Anhalten nicht etwa auf den Seitenstreifen zu fahren sondern einfach sofort dort, wo die Entscheidung zum Anhalten getroffen wurde, kräftig auf die Bremse zu drücken. Wir hüpften also schnell in die Kabine und hofften, der Fahrer würde uns südlich raus aus Qingdao in die richtige Richtung bringen, wo wir dann auf die Autobahn Richtung Xi’an wollten. Das schien auch erst so zu sein, aber der Fahrer musste noch kurz einen Abschleppauftrag erledigen. Wir fuhren also nochmal einen Umweg, um einen liegengebliebenen LKW abzuholen. Schon als wir das große voll gepackte Fahrzeug sahen, ahnten wir warum wohl gerade dieser LKW liegen geblieben war. Er schien hoffnungslos überladen und unser kleiner Abschleppwagen davon leider hoffnungslos überfordert.

Der Fahrer versuchte es trotzdem drei Stunden lang mit aller Kraft und allen Mitteln. Als er schließlich aufgab, entschlossen wir uns auch aufzugeben, da es schon sehr spät war und fuhren nur noch wieder mit zurück zur Straße, an der wir am nächsten Morgen weitertrampen wollten. Es regnete und wir hatten Schwierigkeiten, einen Zeltplatz zu finden, der nicht komplett schlammig war. Wir fanden einen Feldweg, der glücklicherweise bis zum nächsten Morgen nicht befahren wurde und stellten uns wieder an die Straße. Ein Pärchen hielt und nahm uns wohlwollend mit, zu unserem Schrecken und leider gegen unseren Willen wieder nach Qingdao. Obwohl wir mit Kräften und sogar ein paar Englisch sprechenden Bekannten der Beiden vehement versuchten sie davon abzuhalten uns weiter in die Stadt zu fahren, wurden wir kurz darauf an einer Bushaltestelle abgesetzt. Die Beiden hatten es gut gemeint, doch wir standen jetzt vor der schwierigen Aufgabe irgendwie wieder zurück zur richtigen Straße zu finden.

Zum Glück wurden wir schon kurz darauf von einem sich scheinbar pathologisch anfauchenden Pärchen, die sich aber trotzdem sehr lieb zu haben schienen, mitgenommen. Zuerst kurioserweise zu ihrem Frisörssalon. Jeroen überlegte schon, ob das Schicksal ihn vielleicht dorthin gebracht hatte. Wir entschieden uns aber gegen diese Erklärung und die Mäne wächst fröhlich weiter. Nach viel google translate und einer witzigen Pantomimesession, in der wir versuchten, unsere Reiseabsichten zu verdeutlichen: Autofahren, Auto stoppen, Einsteigen, Nett quatschen, aussteigen, Autofahren, nächstes Auto stoppen… und der Mann, der uns mitgenommen hatte, sich als wahres Pantomimetalent herausstellte, er brachte es fertig, den kompletten Zyklus mit erstaunlichem Ausdruck nachzuspielen, brachte er uns zur Autobahnauffahrt. Der Rest der Strecke ging dann wie geschmiert.

Der Weg wurde sozusagen zum Raststättenhopping mit vielen wahnsinnig freundlichen Chinesen und zur Mittagszeit wurden wir dann auch gleich von einem Restaurantmanager an einer Raststätte zum Mittagessen eingeladen. Wir blieben eine große Attraktion an den Raststätten: Der Restaurantbesitzter wurde dadurch belohnt, dass wir viele Chinesen anzuziehen schienen, die sich nicht scheuten sich extra so hinzusetzen, dass sie uns bestaunen konnten. An einer anderen Raststätte an der wir uns bloß kurz an den Parkplatz gesetzt hatten, um unsere nächsten Schritte zu planen, kam spontan ein Chinese vorbei und drückte uns beiden ein Eis in die Hand! An einer anderen Raststätte musste ein kleiner Junge, der wohl in der Schule etwas Englisch gelernt hatte, herhalten, um die Neugierde der gesamten Anwesenden an der Raststätte zu befriedigend. Mit leichtem Druck seiner Mutter, die ihn vorschubste, versuchte er dann herauszufinden, woher wir kommen, wo wir hinwollten, wie alt wir sind und wie wir heißen. Auf unsere Fragen seinerseits zu antworten, schien den armen Kerl, der ohnehin schon krebsrot angelaufen war, aber dann doch hoffnungslos zu überfordern. Wir freuten uns trotzdem über die nette kleine Unterhaltung.

Autobahnauffahrten und Raststätten, das war was wir am meisten sahen auf der Strecke nach Xian. Bis auf eine nette Ausnahme als Leiluo und Shandong uns, nach einer Nacht neben der Raststättentoilette (das hatten wir erst am nächsten Morgen gemerkt) in Heze, spontan zum Mittagessen einluden und uns eine Tour durch Zhengzhou gaben, wo sie uns dann auch wieder zur Autobahnraststätte brachten.

Auf die Nacht neben der Raststättentoilette folgte eine deutlich nettere Nacht. Von einem älteren Pärchen wurden wir an der Autobahnauffahrt in Sanmenxian abgesetzt. Es war schon spät abends und so machten wir uns auf die Suche nach einem Zeltplatz. Direkt entlang der Autobahn fanden wir ein kleines Dorf. Auf dem Dorfplatz waren gerade alle Leute zum allabendlichen Gemeinschaftstanz versammelt doch wir zogen weiter, tiefer ins Dorf. Das Dorf war etwas skuril. Unglaublich viele halbfertige Häuser, die aussahen, als hätte dort schon seit Jahren keiner mehr einen Finger gerührt. Die Felsen, die das Dorf umgaben, waren mit Eingängen zu Minenschächten gespickt, von den allerdings viele nicht mehr in Gebrauch schienen. Ein kleines chinesisches Mädchen folgte uns ein Stück mit ihrem großen Bruder. Während der sich aber scheu mit seinem Fahrrad von dannen machte, fing die kleine mutig an, in ihrem Schulenglisch mit uns zu quatschen. Mit ein paar chinesischen Wörtern konnten wir ihr dann auch deutlich machen, dass wir einen Zeltplatz suchten. Die Kleine verstand und holte sogleich ihre Mutter zur Hilfe. Nach Absprache mit ein paar Nachbarn, wies diese dann auf eine unfertige Garage und schlug vor, wir könnten dort unser Zelt aufschlagen. Schon kurze Zeit später kam sie dann mit einem Besen, um die Garage auszufegen. Sie betrachtete uns mit ihrer Tochter beim Zeltaufbau und es kamen auch immer wieder ein paar neugierige Dorfbewohner schauen. Wir fühlten uns willkommen. Die nette Dame brachte uns dann auch noch eine Kerze und ein paar Äpfel. Am nächsten Morgen leistete uns ihr Nachbar immer wieder Gesellschaft. Zuerst brachte er uns heißes Wasser. Chinesen lieben heißes Wasser! Heißes Wasser wird mit Vorliebe getrunken und ist ein Allheilmittel für alle, wirklich alle möglichen Krankheiten. Wir gossen uns davon dann ganz ketzerisch einen Kaffee auf und schon kurze Zeit später tauchte der nette Nachbar wieder auf und brachte uns ein paar zuckersüße Kakis. Wir bekamen dann so nach und nach auch noch Äpfel, Mondküchlein und anderes Gebäck und verabschiedeten uns schließlich in großer Dankbarkeit.

An diesem Tag erreichten wir Xian und hatten ein paar Tage, bevor wir unseren Zug nach Urumqi nehmen würden, um diese mit chinesischer Historie übersäte Stadt zu bewundern. Am meisten trieben wir uns wohl im muslimischen Viertel rum, um das Chaos in den kleinen Gassen zu bestaunen. Dort schieben sich Rikschas, Menschen und Motorräder zwischen allerlei interessantem Essen aneinander vorbei. Wir stolperten auch in das chinesische Herbstfest in Xians Stadtpark, in dem wir ein paar schräge traditionelle chinesische Performances mit noch schrägerem traditionellen chinesischen Gesang bewundern konnten. Noch jetzt klingen uns die Ohren vom Geheule der verrückten Gestalten mit übergroßen Köpfen, die allem Anschein nach chinesische Ahnengeister waren.

In Xian begegneten wir auch dem ersten Mal dem chinesischen Smog und machten uns lächerlich in dem wir sogleich mit ein paar Mundschutzmasken herumliefen. So begrüßten wir dann auch Kai, einem Couchsurfer, der sich die Zeit nahm, uns die Stadt zu zeigen. Kai wusste als chinesischer Polizeibeamter und Parteimitglied spannende Geschichten zu erzählen. Er berichtete von den abgeschlossenen Waffen in der Polizeistation. Die Polizei sei wenn dann nur mit Gummiknüppeln unterwegs. Schusswaffen würden nicht gebraucht und die halbe Polizeistation habe eh schon vergessen wo der Schlüssel für den Waffenschrank liege. Kai lieferte uns ein freundliches Bild der chinesischen Polizei und gleichzeitig ein paar paradoxe Einsichten in den Kopf eines chinesischen Parteimitglieds. Er schwärmte von Marx, aber auf unser Drängen hin, doch bitte zumindest einen politischen Grundsatz zu nennen, welche die chinesische Partei im Marxistischen Sinne umsetzte, konnte Kai keinen nennen, was ihn aber nicht davon abhielt weiterhin standfest zu behaupten, China sei kommunistisch ausgerichtet und an Marx orientiert. Wir fühlten uns an den putinschen Reflex erinnert und vermissten das liebe Russland ein bisschen. Doch für uns ging es weiter nach Urumqi. Diesmal mit dem Zug, was die Sehnsucht nach Russland noch verstärkte. Während die russischen Züge ein Beispiel an Gemütlichkeit und Geselligkeit sind, spannten die chinesischen Züge unsere Nerven zum Zerreißen. Wenn die Lautsprecher, über die chinesische Katzenjammermusik dröhnte (nicht unähnlich zu der im Park gehörten), gerade einmal nicht ertönten, bemerkte oft schnell der ein oder andere Passagier die Stille und füllte diese mit Gejaule aus dem eigenen Telefon. Zum Glück hatten wir aber auch einige nette Mitreisenden, die uns mit chinesischen Datteln und netten Gesprächen versorgten Die Nacht war ruhig und so erreichten wir am nächsten Morgen in der Früh doch einigermaßen ausgeruht Urumqi.

Linda with Leiluo and Shandong in Zhengzhou
Jeroen with Leiluo and Shandong in Zhengzhou
Jeroen sitting in the typical Chinese squatting position in the „village under the bridge“ near Sanmenxia
Park in Xi’an
Our first taste of the infamous Chinese smog in Xi’an
Xi’an streetfood
Xi’an by night